Tanja Kneiske knüpft das Energie-Netz von morgen

Berufung /

Immer mehr Wärmepumpen, Elektrolyseure und elektrische Ladesäulen nutzen unsere Stromnetze und machen einen Netzausbau erforderlich. Dafür muss der zukünftige Bedarf eingeschätzt werden. Um große Energieversorgungssysteme optimal zu modellieren und zu planen, bedarf es geeigneter Tools und Methoden. Dies ist das Arbeitsfeld von Prof. Dr. Tanja Kneiske, die an der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG forscht und seit diesem Semester auch als Professorin an der TU Berlin lehrt.

Prof. Dr. Tanja Kneiske forscht am Fraunhofer IEG und lehrt an der TU Berlin
© Christiane Schleifenbaum / Fraunhofer IEG
Prof. Dr. Tanja Kneiske forscht am Fraunhofer IEG und lehrt an der TU Berlin

»Uns muss klar sein; in der Energiewende betrachten wir nicht nur Stromnetze, sondern auch die Planung, den Ausbau und die Verknüpfung von Gas-, Wärme- und Wasserstoffnetze. Derzeitige Planungsmodelle stoßen dabei aufgrund der zunehmenden Komplexität an ihre Grenzen«, stellt Tanja Kneiske vom Fraunhofer IEG fest. »Zudem wird das Planungsumfeld etwa von Energieversorgern oder Netzbetreibern immer volatiler. Da ist Schnelligkeit und eine grobe Entwicklungsrichtung oft wichtiger als 100%ige Genauigkeit in den Details. Die Automatisierung hilft uns dabei, diese schnellen Antworten für den Alltag zu finden«, ist sich Kneiske sicher. Am Fraunhofer IEG hat sie die wissenschaftliche Leitung des Competence Centers »Integrierte Energiesysteme« in Cottbus inne.

Entwicklung neuer Softwaretools

Die Forscherin entwickelt dort mit Ihrem Team das Open-Source-Softwaretool »DAVE«. Es sammelt, verarbeitet und fusioniert Daten aus unterschiedlichsten Quellen, um daraus ein Energienetzmodell zu erstellen. »Mit Hilfe solcher Modelle können etwa Verteilnetzbetreiber den Aus- und Umbau ihrer Infrastruktur planen, um damit gegenwärtigen und künftigen Anforderungen zu begegnen«, erläutert die Wissenschaftlerin den Anwendungsbereich. Die von ihr vorangetriebene Software »pandapipes« ermöglicht es unter anderem, die Integration von Wärmepumpen in die Modellierung von gekoppelten Strom- und Wärmenetzen zu planen. Als besonderen Mehrwert decken die von ihr und ihrem Team entwickelten Modelle sowohl technische als auch ökonomische Fragestellungen ab.

Modellierung der künftigen Energieinfrastruktur

Tanja Kneiske leitete für das Fraunhofer IEG das Projekt »Gesamtstrategie für den Energie- und Netzausbau im Landkreis Görlitz« als Teil des Projektes »Multiprojektmanagement Strukturwandel im Landkreis Görlitz – Strukturwandel-Task Force«, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. In dem Projekt haben die Forschenden zunächst - durch gezielte Stakeholder Konsultation – einen Digitalen Zwilling der Energielandschaft im Landkreis erstellt. In einem zweiten Schritt konnten sie so die derzeitige und zukünftige Energieversorgung in einem Energiesystemmodell und einer Netzflusssimulation abbilden und daraufhin als dritten Schritt die Gesamtstrategie entwickeln. Die Ergebnisse der Studie unterstützten den Landkreis bei der Einschätzung des erforderlichen Netzausbaus aufgrund der verstärkten Nutzung von Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig liefert die Studie eine erste Indikation für die zukünftige kommunale Wärmeplanung und Versorgung des Landkreises.

Verknüpfung von Bottom-up- und Top-down-Ansätzen

Kneiske ist ebenfalls im Projekt »TransHyDE-Sys« involviert. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und will die anstehende Transformation des Energiesystems simulieren. Sie forscht dort an neuen Ansätzen zum Vergleich von Modellen, die einerseits Bottom-up die Industrie als zukünftigen Nutzer im Fokus haben und auf der anderen Seite Top-down aus Deutschland- und sogar EU-Sicht die Planung des zukünftigen Wasserstoffnetzes angehen. Ihr Ziel ist es, beide Perspektiven zusammenzuführen und damit die politischen Entscheider in ihrer Aufgabe zu unterstützen, die künftige europäische Energie- und Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen.

Berufung an die TU Berlin

An der TU Berlin übernahm Kneiske am 1. Februar eine Professur an der Fakultät für Wirtschaft und Management. Sie lehrt dort im neuen Fachgebiet »Technologie und Management Integrierter Energieinfrastrukturen« Dort untersucht sie, wie man die Netzinfrastrukturen der Energieversorgung durch eine techno-ökonomische Planung fit machen kann für das klimaneutrale Energiesystem – und das effizienter und kostengünstiger als bisher. Das Lehrangebot im Bereich „Energie und Ressourcenmanagement“ wird von ihr mit der neuen Professur weiter ausgebaut.

Lebenslauf

Prof. Dr. Tanja Kneiske ist seit 2022 Scientific Manager für das Competence Center »Integrierte Infrastruktur« am Fraunhofer IEG. Sie entwickelt dort KI-basierte Tools zur intelligenten Infrastrukturplanung. Die promovierte Physikerin und Ingenieurin hat zuvor fast elf Jahre als Gruppenleiterin am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE an Tools und Daten zur intelligenten Planung von Energienetzen geforscht. Parallel hat Kneiske ihren zweiten Doktortitel in Ingenieurswissenschaften erworben. Von 2008 bis 2011 war sie Gruppenleiterin an der Universität Hamburg und zuvor als Postdoc an der University of Adelaide, Australien und an der Technischen Universität Dortmund. Ihre erste Promotion in Astrophysik erhielt sie 2004 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg für die Forschung zur extragalaktischen Hintergrundstrahlung im Gammabereich.

Über das Fraunhofer IEG

Das Fraunhofer IEG gestaltet die klimaneutralen Energiesysteme der Zukunft. Seit seiner Gründung im Jahre 2019 unterstützt das Institut Energieversorger, Netzbetreiber, Industrieunternehmen, Technologieanbieter, Wohnungsbaugesellschaften und Kommunen bei der Transformation der Energieinfrastrukturen mit markt- und anwendungsnaher Forschung. Seine Themenfelder sind sektorengekoppelte Strom-, Gas- und Wärmenetze, Bohr- und Geotechnologien, Energie- und Verfahrenstechnik, Energiewirtschaft, Georessourcen und Geowissenschaften, Speichersysteme und Wasserstoffinfrastrukturen.

Nationale und internationale Großprojekte, etwa zum Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft, zur Tiefengeothermie oder zu integrierten Energiesystemen spielen für das Fraunhofer IEG genauso eine Rolle wie konkrete Umsetzungsprojekte in der Region, etwa zur Transformation der Wärmeversorgung von Kommunen, zur energetischen Quartiersentwicklung und zum Einsatz von Geo- und Seethermie sowie Großwärmepumpen für vom Braunkohleausstieg betroffene Nah- und Fernwärmenetze in der Lausitz. Diese Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit hoher Bedeutung für die Gesellschaft im Rahmen der Energiewende bearbeitet das Fraunhofer IEG in einem großen Partnernetzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand.