Arianna Passamonti heizt mächtig ein

Große Kommunen sind aufgefordert, bis Juni 2026 lokale Wärmepläne zu erstellen. Gerade in den eng bebauten Metropolenregionen, wie im Ruhrgebiet, bietet es sich an, auf Fernwärmenetze mit CO2-neutraler Energiequelle zu setzen – etwa einer Großwärmepumpe. Das im Bochumer Süden vorhanden Wärmenetz versorgt derzeit über 5000 Wohnungen, Häuser und Kunden. Im Winter müssen dafür Temperaturen von 120° Celsius im Netz zur Verfügung gestellt werden. Arianna Passamonti hat am Fraunhofer IEG gemeinsam mit Kolleg: innen und Partnern aus der Industrie eine Hochtemperatur-Wärmepumpe ins Fernwärmenetz integriert. Als neuartige Wärmequelle dient ein Grubenspeicher. Die Großwärmepumpe steigert in einem zweistufigen Prozess eine Ausgangstemperatur von 10° Celsius auf die geforderte Temperatur von 120° Celsius.

»Es ist ein gutes Gefühl mit der eigenen Arbeit etwas für die Zukunft zu machen: Technologien mit denen Stadtwerke irgendwann viele Menschen nachhaltig, zuverlässig und bezahlbar mit Wärme versorgen können«. Die Grundlage dafür schuf die gebürtige Italienerin mit einem Masterabschluss Energietechnik am Politecnico di Milano. Während des Studiums verbrachte sie zwei Semester als Austauschstudentin am Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST), um dann ihre Masterarbeit über Wasserkraft in den Laboren der Fakultät für Ingenieurwesen der University of Guelph, Kanada zu schreiben. Anschließend arbeitete sie als Projektmanagerin für Thermotechnik in der Industrie. Arianna Passamonti: »Hier habe ich mich intensiv in die Technologie von Boilern, Wärmepumpen und Solarthermie-Systeme eingearbeitet.« Derzeit macht sie ihren Doktor für Mechanical Engineering an der Ruhr Universität Bochum über Tests und Modellierungen für Hochtemperatur-Wärmepumpen.

Zum Fraunhofer IEG kam die Ingenieurin direkt als Verantwortliche für das Konzept der Großwärmepumpe im EU-Projekt NWE-Interreg DGE-Rollout: »Mit meiner Arbeit möchte ich meinen Beitrag für die Reduzierung von CO2 leisten. An dem Projekt fand ich die Vorstellung, etwas ganz Neues zu entwickeln und bis zum Einsatz zu bringen, extrem spannend. Außerdem freute ich mich auf die Kombination theoretischer Berechnungen mit dem praktischen Aufbau einer Versuchsanlage

Mit Hilfe von Arianna Passamonti entwickelte Gebäudeausrüster Johnson Controls den Prototypen einer kaskadierenden Wärmepumpe: In der ersten Kaskade dient Ammoniak dazu, das Wasser auf eine Temperatur von 45° Celsius zu erwärmen. In der zweiten Stufe erreicht die Wärmepumpe mit Hilfe von Butan als Arbeitsmedium eine Temperatur von 120° Celsius. Die Projektleiterin berichtet: »Es war uns sehr wichtig, natürliche Kältemittel zu benutzen. Denn viele synthetische Stoffe, die üblicherweise in Wärmepumpen eingesetzt werden, haben ein hohes Potential zur Klimaerwärmung beizutragen, wenn sie in die Atmosphäre entweichen. Auch müssen wir bei den gut erforschten Stoffen Ammoniak und Butan keine ungewünschten Reaktionen durch die hohen Temperaturen befürchten.« Die Großwärmepumpe hat eine Leistungsklasse von 500 kW und einen Wirkungsgrad pro Einheit von 3 bis 7 COP (coefficient of performance), je nach den gegebenen Rahmenbedingungen. Zum Vergleich: Eine sehr gute Wärmepumpe zum Einsatz in Einfamilienhäusern sollte mit ihrem Wirkungsgrad etwa bei einer COP von 3,5 liegen.

Im Dezember 2019 begann die Entwicklungsarbeit, November 2022 waren die ersten Teile gefertigt. Im Sommer 2023 stand die fertige Versuchsanlage dann auf dem Bohrplatz des Fraunhofer IEG in Bochum und lieferte erstmals 120° Celsius heißes Wasser in das Fernwärmenetz der Unique Wärme GmbH & Co. KG, einem Joint Venture der Stadtwerke und der Ruhr-Universität Bochum. Arianna Passamonti koordinierte dafür alle Gewerke eng, damit das Team den ambitionierten Zeitplan halten konnte: »Aufgrund seiner innovativen Natur, war das Projekt sehr fordernd. Als Team haben wir aber nie unser Ziel aus dem Auge verloren. Und so haben wir gemeinsam alle technischen, administrativen und koordinierenden Aufgaben bewältigt.« Als das fünfköpfige Projektteam dann das erste Mal Wärme ins Netz einspeisen konnte, war die Freude und Erleichterung riesig. »Es war eine tolle Erfahrung mit diesem diversen Team eine einzigartige Großwärmepumpe zu entwickeln – von der ersten Idee bis zur letzten Schweißnaht.«, schwärmt die junge Frau. Neben den Technikerinnen und Technikern vom Fraunhofer IEG konnte sich Passamonti dabei auch auf den Anlagenbauer Mitsubishi Power Europe verlassen.

Noch eine Besonderheit zeichnet das Projekt aus: Parallel entstand – ebenfalls auf dem Bohrplatz des Fraunhofer IEG – eine Solarthermieanlage, die die im Sommer gewonnene Energie nutzt, um das Grubenwasser der unter dem Bohrplatz liegenden ehemaligen Zeche sukzessive aufzuheizen. Die Grube wird als Energiespeicher für den Betrieb der Großwärmepumpe im Winter dienen. Maximal kann das Grubenwasser auf 60° Celsius erwärmt werden und würde damit den Wirkungsgrad der Großwärmepumpe erheblich steigern. Im Ruhrgebiet und anderen Kohleregionen ist der Untergrund voller ehemaliger, mit Grubenwasser gefluteter Zechen, die als Wärmespeicher dienen können. Ein Team am Fraunhofer IEG um den Leiter Florian Hahn arbeitet an Konzepten, deren Erschließung zu vereinfachen. Arianna Passamonti arbeitet parallel weiter an der technischen und finanziellen Optimierung ihrer Hochtemperatur-Wärmepumpe und generiert fleißig weitere Daten für die Forschung: »In der Technologie steckt noch eine Menge Potential, das wir heben wollen«, ist sich die Wissenschaftlerin und Projektmanagerin sicher.