Geothermie

Mit drei Sternen in die Tiefe

Pressemitteilung /

Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier hat Fraunhofer IEG nun den dritten Stern für seinen Projektantrag »Reallabor Tiefengeothermie Rheinland« verliehen. Damit ist der Weg frei für die Bewilligung durch die zuständigen Projektträger. Ziel des Projektes ist es, in Eschweiler und Umgebung eine Forschungsinfrastruktur zu schaffen, die den Strukturwandel hin zur klimafreundlichen industriellen und kommunalen Wärmeversorgung mit Innovationen und Technologietransfer unterstützt.

Messwagen nutzen ein Echolotverfahren, um tiefe Gesteinsschichten geophysikalisch zu charakterisieren. Diese Daten können helfen, heißes Thermalwasser in der Tiefe aufzufinden.
© Fraunhofer IEG/A. Jüstel
Messwagen nutzen ein Echolotverfahren, um tiefe Gesteinsschichten geophysikalisch zu charakterisieren. Diese Daten können helfen, heißes Thermalwasser in der Tiefe aufzufinden.

»Das Rheinland hat eine reiche Bergbaugeschichte – vom vorgeschichtlichen Erzabbau über frühindustrielle Steinkohlezechen bis hin zum modernen Braunkohletagebau«, erinnert Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG. »Der Wärmebergbau könnte das nächste Kapitel für die Energieregion sein.«

Geothermie nutzt heißes Thermalwasser aus der Tiefe, um etwa Fernwärme und Prozesswärme bereitzustellen. Von klimafreundlicher Energie aus thermalwasserführenden Schichten können viele Anwendungen profitieren, etwa kommunale Wärmenetze, Gewächshäuser oder Chemieindustrie, aber auch Betriebe der Zucker- und Nahrungsmittelherstellung, der Holz- und Papierverarbeitung sowie Metall-, Zement- und Bauindustrie. In den Metropolen München und Paris tragen schon heute Geothermieheizwerke höchst effizient und sicher zur kommunalen Wärmeversorgung bei, in den Niederlanden und Belgien versorgen sie Fernwärmesysteme und Gewächshäuser mit Prozesswärme – nachhaltig, bezahlbar und ohne Rohstoffimporte. Diese Wärmequelle gilt es nun auch für Nordrhein-Westfalen zu entwickeln.

Allerdings erfordert jedes Heizwerk noch im Detail viele maßgeschneiderte Sonderlösungen in Exploration, Erschließung und Betrieb. Für den flächendeckenden Einsatz braucht es marktgerechte, skalierbare, einfach auf neue Standorte übertragbare Technologien. An seinem künftigen Standort im Eschweiler Stadtteil Weisweiler wird das Fraunhofer IEG diese Technologien entwickeln. Es betreibt mit Industriepartnern Anwendungsforschung für die zukünftig benötigte Energieverfahrenstechnik, Bohrlochtechnologien, Exploration und Speicher sowie Georessourcen und wird so zum Möglichmacher der Konversion »vom Kohle- zum Wärmebergbau«.

Ein Meilenstein auf dem Weg ist die aktuelle Vergabe des dritten Sterns durch die »Zukunftsagentur Rheinisches Revier« für das Projekt »Fraunhofer Reallabor Tiefengeothermie Rheinland«. Ziel ist es, eine große Forschungsinfrastruktur für die Geothermie zu schaffen, die europaweit einmalig ist. Dafür werden nun Projektmittel bei den beiden zuständigen Projektträgern beantragt, damit der Untergrund in der Region in den nächsten vier Jahren großflächig geophysikalisch und bohrtechnisch charakterisiert werden kann.

Dazu möchte das Projekt den Untergrund mehrere Kilometer tief mit Schallwellen erkunden, ähnlich dem Echolot aus der Seefahrt oder dem Ultraschall in der Medizin. Dazu sollen im Bereich des Aachener Autobahnkreuzes und Eschweiler Messwagen und empfindliche Mikrofone für wenige Wochen in einer sogenannten »Seismischen Exploration« zum Einsatz kommen. Daran anschließend könnten zwei Erkundungstiefbohrungen die thermalwasserführenden Gesteinsschichten in mehreren Kilometern Tiefe für wissenschaftliche Untersuchungen erschließen und wertvolle Daten über Gesteinsarten, Porosität, Wasserdurchlässigkeit und natürlich Wasservorkommen liefern. Alle Daten stehen dann für weitere Projekte der Wissenschaft und auch den regionalen Akteuren der Wirtschaft und Kommunen zur Verfügung. Perspektivisch könnten in einigen Jahren, wenn das Braunkohlekraftwerk Weisweiler vom Netz geht, Kommunen und Unternehmen des südlichen Rheinischen Reviers - nach dem Vorbild von München und Paris – kostengünstig mit heimischer Erdwärme versorgt werden.

Fraunhofer IEG im Rheinland

Das aktuelle Projekt »Fraunhofer Reallabor Tiefengeothermie Rheinland« ist nur ein Baustein der Aktivitäten des Fraunhofer IEG in der Region. Mit dem Fraunhofer-Technikum in Weisweiler entsteht eine Entwicklungsplattform für Technologien entlang der geothermischen Wertschöpfungskette zur klimafreundlichen Energiegewinnung. Außerdem soll ein geologisches Observatorium in Weisweiler eingerichtet werden mit dem der Untergrund im südlichen Rheinland wissenschaftlich beobachtet werden kann. Forschungsthemen am Standort sollen alle Aspekte der geothermalen Anlagentechnik sein: von hochtemperaturfähigen Bohrlochpumpen über marktfähige Prozesse zur Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung bis hin zu Betriebsstrategien. Außerdem werden neue Speichertechnologien für Wasserstoff und Wärme entwickelt.

Weitere Maßnahmen umfassen den Aufbau der Institutsteile Aachen und Jülich des Fraunhofer IEG mit der Transfer- und Kommunikationsstelle. Hier werden gemeinsam mit Städten, Kommunen und Industrie die klimafreundlichen Energiesysteme der Zukunft entwickelt. Zugleich sollen die Forschungsergebnisse aus der Wissenschaft in die Mitte der Wirtschaft und der Gesellschaft getragen werden, etwa über Veranstaltungen, Technologietransfer sowie Fortbildungen.

Das SofortprogrammPLUS der Zukunftsagentur Rheinisches Revier regelt die Anschlussfinanzierung erster Projekte aus dem Sofortprogramm, aus dem Eckpunktepapier zum Strukturstärkungsgesetz und aus dem Strukturstärkungsgesetz selbst. Darüber hinaus benannte die Region über die vom Aufsichtsrat der Zukunftsagentur beschlossene sogenannte „Öffnungsklausel“ weitere für eine kurzfristige Förderung geeignete Projekte. Grundgedanke des SofortprogrammPLUS ist, dass ausgewählte Projekte aufgrund ihrer Bedeutung für den Strukturwandel, ihrer Dringlichkeit und Umsetzungsreife außerhalb der künftigen Aufrufverfahren als Beginn des Regelprogramms geprüft und bewertet werden sollen. Die Letztentscheidung über eine Bewilligung liegt je nach Förderzugang bei der Bundes- oder der Landesregierung. Durch das Vorverfahren wird noch keine Vorfestlegung getroffen, ob und in welcher Höhe die bewerteten Projekte tatsächlich gefördert werden können. Es ersetzt insbesondere nicht die spätere Prüfung der Projektanträge durch die jeweils zuständige Bewilligungsbehörde.

Mehr Information zum Standort Weisweiler des Fraunhofer IEG:

https://www.ieg.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/2021/rwe-fraunhofer-gemeinsam-westen-tiefenwaerme.html