»Rückblickend kann ich sagen, dass mir die Profession der Modellierung schon in die Wiege gelegt war«, erinnert sich Nora Koltzer: Ihr Vater betreibt als Meteorologe ein eigenes Wettermodell, dass er seit vielen Jahren weiterentwickelt. »Gerade dann, wenn es wenige Daten gibt, wird es für mich als Modelliererin herausfordernd und spannend. Denn beim Modellieren fließen auch Vorerfahrungen, Know-how und Beobachtungen aller Art mit ein. Dann können wir mögliche thermohydraulische Konzeptvorstellungen in 3D nachrechnen und schauen, welche dieser Ansätze physikalisch sinnvoll sind und welche wir ausschließen können. Dabei entstehen neue Konzeptideen«, so beschreibt Nora Koltzer ihre Arbeitsweise. Besonders gern untersucht sie komplexe hydrothermale Systeme, also Erdstrukturen, in denen sich Tiefenwasser bewegt, wo sie für ihre Kunden und Kundinnen verheißungsvolles Neuland betreten kann. Dies können natürliche fluidführende Erdschichten sein oder Strömungen in einer solegefüllten Kaverne, die in einem Industrieprojekt als Wärmespeicher dienen soll. Derzeit arbeitet sie an der Modellierung des Untergrundes im Rheinischen Braunkohlerevier. Ihr wissenschaftliches Ziel ist es, erstmalig eine geologische Modellierung zu erstellen, die sukzessive mit Forschungsdaten aus dem Untergrund angereichert werden kann und sich dadurch bei der Ergänzung mit neuen Daten automatisch anpasst.
Leidenschaft für Modellierung
Dabei hätte aus Nora Koltzer auch etwas ganz anderes werden können. In ihrer Schulzeit verfolgte sie neben einem naturwissenschaftlich betonten Abitur, ernsthaft den Plan, Sopranistin zu werden: Sie nahm Gesangs- und Klavierunterricht und lernte Musiktheorie. Nach dem Abitur schlug sie auch zunächst diesen Weg ein, merkte dann aber schnell, dass ihr die naturwissenschaftliche Herausforderung fehlte. Deshalb begann sie in Hamburg das Studium der Geowissenschaften und konzentrierte sich im Master an der Freien Universität Berlin auf die Hydrogeologie, also die Fluidbewegungen im Untergrund und das Grundwasser. Auch, weil das Grundwasser mit den Klimaveränderungen durch die Erderwärmung immer bedeutsamer wird. Als Nora Koltzer erstmals in einem Kurs zur Simulation von thermohydraulischen Prozessen saß, hatte sie ein Thema gefunden, was sie nicht mehr losließ. In ihrer Masterarbeit am GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ befasste sie sich als eine der Ersten in der Arbeitsgruppe mit inverser Modellierung. Besonders spannend findet sie, dass diese Art der Rückwärtsmodellierung fast zwangsweise Reaktionen in der Wissenschaft hervorrufen, da das konzeptionelle geologische Modell dabei manchmal auf den Kopf gestellt wird und neue Lösungen zunächst unerklärlich scheinen.
Von der Grundlagen- zur angewandten Forschung
Noch am GFZ verfasste die Forscherin ihre Dissertation in einem Projekt mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie HLNUG und der TU Darmstadt und promovierte dann an der RWTH in Aachen. Bei ihrer Doktorarbeit handelte es sich um Prozesssimulationen für Geothermie im Oberrheingraben. Nora Koltzer: »Das war ein ziemlicher Spagat zwischen den Themen der Grundlagenforschung, wie ich sie am GFZ betrieben habe und wie sie für die Doktorarbeit verlangt wurde, und den angewandten Themen, wie sie das Landesamt und der Projektträger von mir benötigten. Die angewandte Forschung ist es jedoch was mir mehr und mehr Freude machte.« Kein Wunder, dass ihr Zweitgutachter Prof. Florian Wellmann, Professor an der RWTH Aachen, sie direkt für das neugegründete Fraunhofer IEG gewinnen konnte.
»In der Geothermie ist in den letzten Jahren viel ins Rollen gekommen.«
Nora Koltzer ist nach wie vor froh, dass sie den Schritt zum Fraunhofer IEG gegangen ist: »Meine Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich. Ich finde es spannend, an so einem wichtigen Thema wie der Wärmewende und insbesondere der Geothermie zu arbeiten. Gerade in den letzten Jahren sind da viele Dinge ins Rollen gekommen und ich kann etwas bewirken.« Im Austausch und in der Zusammenarbeit mit anderen Competence Centern im Fraunhofer IEG nimmt die Wissenschaftlerin viel Neues mit, wie aus dem letzten Projekt zum Thema Netzplanung. »Gerade in Industrieprojekten, wo unsere Kundinnen und Kunden innovative, spezielle Lösungen für die Wärmewende suchen, kann ich viel beitragen«, zeigt sich die Forscherin überzeugt. Und auch im Projektmanagement und der Projektleitung fühle sie sich wohl – als Modelliererin sei sie es ja gewohnt, alles zusammen zu führen und Prioritäten zu setzen.
Engagement in Beruf und Freizeit
Nora Koltzer engagiert sich auch über ihr eigenes Aufgabenfeld hinaus: So gestaltet sie im Wissenschaftlich-Technischen Rat des IEG die Strategie der Fraunhofer-Gesellschaft mit und arbeitet im Institutsleitungsausschuss des Fraunhofer IEG. Sie unterstützt den WinG-Verein (Women in Geothermal) und das Fraunhofer IEG-internes Projekt »EmpowHER«, um junge Frauen oder Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern: »Ich habe früh mein erstes Kind bekommen und musste daher viele Hürden überwinden. Als Mutter von drei Kindern konnte ich aber auch zeigen, wie man sich in der Wissenschaft und im Beruf behauptet – auch wenn es angeblich überall Grenzen gibt.« Alles sei möglich, wenn man es wirklich will, hätte ihre Mutter ihr immer wieder vermittelt. Das wolle sie weitergeben und vielleicht irgendwann ein Vorbild für junge Frauen in der Wissenschaft sein. »Für mich ist nach wie vor meine Doktormutter, Prof. Magdalena Scheck-Wenderoth in vielen Aspekten ein wichtiges Vorbild.«, beschreibt die Wissenschaftlerin ihre Motivation für dieses Ehrenamt.
Die ehemalige Vielseitigkeitsreiterin macht immer noch viel Sport mit ihrer Familie wie reiten, skaten, schwimmen, Yoga und bouldern. Zusätzlich singt sie – zwar nur noch selten als Solistin – dafür in verschiedenen Chören und liebt das Gärtnern. Sie ist also immer noch vielseitig unterwegs!
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