Immer mehr Bürgerinnen und Bürger nutzen Elektroautos und Wärmepumpen, immer mehr Kommunen wollen mit Solar- und Windanlagen an der Energiewende teilhaben. Auf diese Entwicklungen hat sich das Stromnetz in den letzten Jahren eingestellt. Aber auch in der Zukunft wird es sich weiter anpassen müssen. Die Schlüsselworte dafür lauten: Flexibilisierung, Regulierung und Sektorkopplung! Das ist das Arbeitsfeld von Judith Stute, seit 2020 Mitarbeiterin in der Abteilung »Integrierte Energieinfrastrukturen« beim Fraunhofer IEG.
»Ich bin mitten im Grünen aufgewachsen – da lag es nah, dass ich mich irgendwann auch mit dem Thema Klimaschutz beschäftigen werde«, erinnert sich Judith Stute. Ein einschneidendes Erlebnis sollte ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Estland werden: Dort arbeitete sie in einem Wohnprojekt mitten im Wald. Danach wusste sie, dass sie sich für die Umwelt engagieren wollte. Nach diesem Aufenthalt begann die Wissenschaftlerin 2011 an der TU Chemnitz »Regenerative Energietechnik« zu studieren. Für den Master wechselte sie 2014 an die deutlich größere RWTH Aachen in den Fachbereich »Elektrotechnik, Informationstechnik und technische Informatik« mit dem Schwerpunkt »Elektrische Energietechnik«. Während eines Pflichtpraktikums bei einem Projektierer für PV- und Windparks erlebte sie die überbordende Bürokratie am eigenen Leib. Damit stand ihr Ziel fest: Künftig wollte sie die Regulatorik für Stromnetze vereinfachen.
Ihr Ziel war die Forschung
Ihre erste Station nach dem Master führte die Forscherin 2018 an das Fraunhofer ISI in Karlsruhe. »Ich wollte unbedingt bei Fraunhofer arbeiten, weil ich wusste, dass die sich mit dieser Thematik befassen. Drei andere Stellenangebote habe ich in der Zeit ausgeschlagen, um auf meine Chance zu warten.« So beschreibt sie ihre große Motivation. Beim Fraunhofer ISI stieg sie dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin in das Geschäftsfeld für Energiemanagement und intelligente Netze ein. Ein Jahr später startete sie mit ihrer Dissertation zum Thema »Techno-socio-economic analysis of the impact of dynamic electricity price components on households and low-voltage grids in Germany«. Nebenbei engagierte sich die junge Wissenschaftlerin auch in weiteren Bereichen der Lastflexibilisierung und der Analyse sektorgekoppelter Infrastrukturen um Gas, Wärme und Strom integriert zu betrachten.
Arbeit für Energieversorgungsunternehmen, Netzbetriebe und die Politik
Vor fünf Jahren bekam Judith Stute die Gelegenheit, die Fraunhofer IEG mit aufzubauen. Ihren Wechsel hat sie nie bereut: »Es war einfach großartig, von Anfang an dabei zu sein.« Als Mitarbeiterin der ersten Stunde konnte sie viel zur Organisationsentwicklung beitragen, in Gremien die Interessen der Promovierenden vertreten und eine institutsweite Seminarreihe aufbauen. Wissenschaftlich beschäftigt sie sich beim Fraunhofer IEG weiter mit der Dynamisierung der Strompreise und Netzentgelte und der Flexibilität im Energiesystem – nicht nur auf Haushaltsebene, sondern auch im Bereich der Sektoren Industrie und Gewerbe-, Handel und Dienstleistungen und in integrierten Systemen. Hier bietet sie Lösungen für Netzbetriebe und Energieversorgungsunternehmen an, denkt Geschäftsmodelle voraus und bearbeitet integrierte Analysen für politische und regulatorische Fragestellungen. Derzeit arbeitet die Wissenschaftlerin auch in einem EU-Projekt zur Regulierung von Netzentgelten in Verteilnetzen und unterstützt damit die Politik. Ein weiteres ihrer Themen ist der Einsatz von KI in dezentralen Stromsystemen sowohl auf Haushalts-, Quartiers- und Netzebene, um die jeweiligen Netze effizienter und resilienter zu machen. Diese Erkenntnisse werden sowohl von Politik als auch Wirtschaft nachgefragt.
Natur, Kreativität und Dystopien
Im November 2024 konnte Judith Stute ihre Doktorarbeit erfolgreich verteidigen. In der knapp bemessenen Freizeit ist sie gerne in der Natur unterwegs: egal ob Wandern, Fahrradfahren, Zelten oder Bouldern. Estland ist nach wie vor ihr Sehnsuchtsland, in dem sie Freunde besucht und auch sonst viele Urlaube verbringt. Dabei achtet sie strikt darauf, die Anreise mit Bus und Bahn zu bewerkstelligen. Neben ihrer Begeisterung für die Natur hat Judith Stute aber auch eine kreative Ader: Handarbeiten, Basteln, Zeichnen oder Schreinern sind ihr Ausgleich zur Kopfarbeit. Da baut sie dann auch gleich mal einen Hocker für das eigene Zuhause. Ansonsten liest die Forscherin gerne, etwa Dystopien wie Fahrenheit 451 oder Blackout, während sie gleichzeitig daran arbeitet, dass diese Dystopien keine Realität werden.