Mikro-Bohrtechnologie

Das Competence Center »Mikro-Bohrtechnologie« beschäftigt sich mit der Entwicklung der neuen Bohrtechnologie »Micro Turbine Drilling - MTD®«. Die Grundmotivation für MTD® kommt aus dem Bereich der Tiefbohrtechnik. Das MTD® ist ein mechanisches Bohrverfahren zur Bohrung von Sidetracks im Mikrobereich – sog. Micro-Sidetracks (z. B. 2´´ oder kleiner) aus einer bestehenden Hauptbohrung in die umliegende Geologie. Es können sowohl weiche Sedimentgesteine als auch harte kristalline Gesteine (z. B. Granite) gebohrt werden. Es handelt sich um ein chirurgisches und minimalinvasives Verfahren, das eine risikoarme und schonende Alternative zur hydraulischen Stimulation (Fracking) ohne größere Eingriffe in die Geologie darstellt. 
 

Wie funktioniert die MTD® Bohrtechnologie?

Hauptbestandteil des MTD® ist eine 1,5´´ Mikrobohrturbine, welche mit Druckwasser angetrieben wird. Ausgestattet mit einem innovativen Diamant-Bohrmeißel ist es möglich, verschiedene Gesteine (z. B. Granit, Ton, Sandstein) aber auch Stahl in nur einem Arbeitsgang gleichermaßen zu durchbohren. Bei der Anwendung in einem verrohrten Bohrloch muss das Bohrwerkzeug bzw. Bohrmeißel daher während bzw. nach der Perforation der Stahlverrohrung nicht mehr gewechselt werden, was zeit- und somit kosteneffizienter ist. Um eine Formation mit den Micro-Sidetracks zu durchörtern, wird innerhalb des verrohrten oder unverrohrten Bohrlochs am gewünschten Ablenkungspunkt ein Ablenkschuh mit Hilfe eines Einbaugestänges in der gewünschten Bohrtiefe installiert. Weiterhin kann an dieser Stelle auch die Kick-Off Richtung für den Micro-Sidetrack ermittelt und vorgegeben werden – falls notwendig. Anschließend wird die Mikrobohrturbine an einem flexiblen Coiled Tubing Strang bis zum Ausgang des Ablenkschuhs eingefahren und der Bohrvorgang durch Druckbeaufschlagung der Turbine gestartet. Die sehr kompakte Bauweise des Bohrwerkzeugs ermöglicht einen besonders kleinen Ablenkwinkel der Micro-Bohrungen aus der Hauptbohrung. 

Schematische Darstellung des MTD® mit den wesentlichen Hauptkomponenten in einem Bohrloch
© Fraunhofer IEG
Schematische Darstellung des MTD® mit den wesentlichen Hauptkomponenten in einem Bohrloch

Funktionsweise von MTD® erklärt

Aus einer 5 1/2 Zoll Verrohrung kann ein Micro-Sidetrack mit ca. 50° Ablenkwinkel gebohrt werden. Bei größeren Verrohrungsdurchmessern können entsprechend größere Ablenkwinkel erzielt werden, ab ca. 10 Zoll Verrohrungen ist ein Ablenkwinkel von 90° zur Hauptbohrung möglich. Da das Bohrwerkzeug aus temperaturbeständigen Komponenten besteht, kann das MTD® auch bei hohen Temperaturen eingesetzt werden.Durch das Bohren von Mikro-Sidetracks kann der Bereich um das Bohrloch herum perforiert werden, wodurch der Zufluss von Geofluiden zum Bohrloch erhöht wird. Dies ist mit unter für Geothermiebohrungen wichtig, da hiermit die Durchlässigkeit bei unzureichender Produktivität erhöht und das Fündigkeitsrisiko verringert werden kann.

Feldeinsatz im Bedretto Underground Laboratory, Schweiz 2022 

Mehrere Industrieeinsätze und Feldversuche konnten bereits die Funktionsfähigkeit des neuen Bohrverfahrens bestätigen. MTD®-Operationen sowohl im Granitgestein als auch im Tongestein konnten erfolgreich demonstriert und durchgeführt werden. In 2021 wurde ein Bohrkampagne im Bedretto Underground Laboratory for Geosciences and Geoenergies - BULGG durchgeführt. In bis zu 350 m Tiefe wurden dort mit dem MTD® bis zu 2 m lange Micro-Sidetracks durch die 7-in Stahlverrohrung in das umliegende Rotondo-Granitgestein gebohrt, um Störzonen an die Hauptbohrung anzuschließen. Mithilfe einer eignes Entwickelten Micro-Bohrlochkamera können die gebohrten Micro-Sidetracks visuell inspiziert werden.

Feldeinsatz in Haltern, Deutschland 2023 

Bei einem weiteren MTD®-Einsatz in Haltern im Jahr 2023 wurden insgesamt 12 Micro-Sidetracks in zwei Horizonten (290 m und 330 m) mit dem MTD® gebohrt, um das dortige Mergelgestein für anschließende Hydrotests an das Bohrloch anzuschließen. Auch dort musste zunächst eine Stahlverrohrung mit 5 ½-in Durchmesser durchbohrt werden.

Bohrplatz beim MTD®-Einsatz - Haltern, Deutschland, 2023

Feldeinsatz in Bern, Schweiz 2024 

Bei einem Einsatz in Bern, Schweiz wurde das MTD® eingesetzt, um die Effizienz eines unterirdischen Wärmespeichers zu erhöhen. Dazu wurden aus zwei Hauptbohrungen heraus bis zu 5 m lange Micro-Sidetracks in die umliegende Sandsteinformation gebohrt, um das Speichergestein besser an die Hauptbohrung anzuschließen. Die Micro-Sidetracks wurden in mehreren, bis zu 500 m tiefen Horizonten, aus einem 10 3/4-in Casing gebohrt.

Schematische Darstellung der beiden Hauptbohrungen, die durch die Micro-Sidetracks an die Geologie angeschlossen wurden
© Fraunhofer IEG
Schematische Darstellung der beiden Hauptbohrungen, die durch die Micro-Sidetracks an die Geologie angeschlossen wurden
Feldeinsatz in Bern
© Fraunhofer IEG
Julian Hoffmann, Florian Garsche, Niklas Geißler, Timo König (von links)

Unsere Referenzprojekte

DEEP-MTD®

Im Folgeprojekt DEEP-MTD soll die Mauerstätten-Bohrung als Testumgebung für die Weiterentwicklung der neuartigen Bohrtechnologie »Micro Turbine Drilling - MTD®« genutzt werden. 

Micro Turbine Drilling

MTD® ist ein neues Bohrverfahren, das kostengünstige, mindestens 50 m lange Ablenkbohrungen möglich macht, die von einer bis zu 5 km tiefen verrohrten Bohrung aus in bis zu 200 °C heiße Formationen aus Hartgestein durchdringen kann.