Wasserstoff gilt als Schlüsselelement in der Energiewende: Überall da, wo Prozesse nicht elektrifiziert werden können, stellt Wasserstoff eine CO2-freie Alternative dar. Das gilt vor allem für Hochtemperaturprozesse in der Industrie, etwa bei der Stahlerzeugung, Metallveredelung, der Keramik-, Glas- oder Papierproduktion oder für den Schwerlastverkehr. Tim Peil, Projektleiter von H2!Raum – Mittelstand Ruhr 2030 beim Fraunhofer IEG treibt diesen Wandel voran! Mit der Initiative H2Raum will das Fraunhofer IEG gemeinsam mit der Westfälischen Hochschule neue Transfer- und Serviceformate entwickeln und damit KMUs bei der Transformation zur Wasserstoff-Wirtschaft begleiten. Im H2Raum arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit Unternehmen an konkreten Projekten. Darunter auch Komponentenhersteller, die ihre Wertschöpfungskette erschließen oder erweitern wollen.
Wasserstoff ist ein chemisches Element und schon heute wichtiger Betriebsstoff der chemischen Industrie. Dass das kleinste Molekül des Periodensystems einmal zum Lebensinhalt des Maschinenbauers Tim Peil wird, war nicht vorgezeichnet. Nach seinem Studium im Bereich der Energie- und Verfahrenstechnik an der Ruhr-Universität Bochum kam er 2022 ans Fraunhofer IEG: »Ich wollte mein Wissen sinnvoll anwenden und die Energiewende aktiv mitgestalten«, erklärt der junge Mann seinen Werdegang. Deshalb stiegt Tim Peil beim Fraunhofer IEG in die Beratung von Industrieunternehmen auf dem Weg zur CO2-Neutralität im Rahmen von Transformations-Studien ein: Er untersucht Produktionsstandorte und -prozesse der Unternehmen und erfasst deren Wärmebedarfe sowie die anfallende Abwärmeströme. Aus diesen Daten leitet er dann unter Berücksichtigung verschiedener Energiemarkt-Szenarien kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmenkataloge zur Wärmerückgewinnung sowie klimaneutralen Prozesswärmebereitstellung ab. Neben der Verwendung von Geothermie als auch Großwärmepumpen betrachtet er dabei unter anderem auch die Verwendung von Wasserstoff.
Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft
Von da war der Weg nicht mehr weit in den H2Raum, wo Tim Peil seit November 2023 zusätzlich die Projektleitung innehat und kleinen und mittleren Unternehmen hilft, Wasserstoff-Know-how in eigene Geschäftsmodell zu überführen. Er ist überzeugt: »Wasserstoff wird im Energiesystem der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Allerdings müssen die Einsatzgebiete genau definiert werden: Wasserstoff ergibt überall da Sinn, wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist, etwa bei der Hochtemperatur-Prozesswärme.«
Begegnung auf Augenhöhe
Die Initiative H2Raum will Impulse aus der Wasserstoffforschung in die mittelständische Industrie geben und Informationen über Bedarfe und Problemlagen wieder zurückspielen. Projektleiter Tim Peil: »Unser Transfergedanke ist multidirektional. Wir wollen, dass sich Industrie und Wissenschaft auf Augenhöhe begegnen.« Dazu entwickle und prüfe H2Raum neue Kooperations-, Interaktions- und Qualifizierungsformate. Ziel der Initiative seien flexible Formate und Servicebausteine, die die mittelständische Wirtschaft dabei unterstützten, sich in eine Wasserstoffwirtschaft zu verwandeln. Denn, da ist sich der Wissenschaftler absolut sicher: »Die Energiewende kann nur mit Hilfe der KMUs gelingen.« H2Raum konzentriert sich auf das Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen. Hier hat der Ausstieg aus der Steinkohleförderung und der Kohleverstromung zu einem umgreifenden Strukturwandel geführt.
Wasserstoff auch ohne Anschluss an das Kernnetz
Projektleiter Tim Peil empfiehlt Unternehmen, sich schon heute damit auseinanderzusetzen, wie sie ihre Prozesse dekarbonisieren können – egal ob mit Wasserstoff oder anderen Technologien. Sie sollten ihre Entscheidung dabei auch nicht von einem möglichen Anschluss an das Wasserstoff-Kernnetz abhängig machen: »Als erstes wird das Kernnetz die Schwerindustrie versorgen. Kleine und mittelständische Unternehmen haben aber Möglichkeiten auf anderen Wegen – etwa per Bahn oder Schiff – an Wasserstoff oder dessen Derivate zu gelangen. Auch Insellösungen mit PV-Anlagen und Elektrolyseuren können je nach Einzelfall sinnvoll sein.« Das Besondere im H2Raum: Im Werkstattbereich erarbeiten die Beteiligten konkrete Projekte. Tim Peil: »Wir können Kontakte zwischen Projektpartnern herstellen und ggf. auch Fördermöglichkeiten erschließen. Weitere Interessenten sind jederzeit herzlich willkommen!«
Was sich der Wissenschaftler für die Zukunft wünscht? Er hofft, dass die Energiewende künftig konsequenter umgesetzt wird, und dass die Gesellschaft aus den Fehlern mit der Solarindustrie lernt und ein Abwandern von Wasserstofftechnologien und dem zugehörigen Know-how verhindert. Übrigens: Auch privat ist der junge Mann der Nachhaltigkeit verpflichtet. Ganz Verfahrenstechniker gestaltet er seine Reisemittel nach den Gesamtziel, den ökologischen Fußabdruck klein zu halten. Er sucht sein Reiseziel danach aus, ob er sie gut per Zug, Auto oder Fahrrad erreichen kann.